Seit einem halben Jahr lebe ich in Helsinki. Die meisten Fragen von
Deutschen drehen sich darum, wie ich es in der Dunkelheit aushalte oder ob mir
nicht sehr kalt werden würde. Als ich im Juli hierher kam konnte ich mir nicht vorstellen,
das dies das Land des ewigen Schnees sein sollte. Ich schwitzte viel und
erlebte ein Sommermärchen: Um Helsinki herum gibt es unberührte Natur, zum
Beispiel in Nuuksio. Ich erkundete tiefgrüne Waldböden, Bäume mit Bärten (ein
Zeichen für gute Luft) und genoss die Ruhe. Und direkt in Helsinki entdeckte
ich die vielen Inseln mit dem Kajak auf dem Meer. Das Blau am Himmel schien
blauer, das Licht war anders, klarer. Kurzum: Es war ein toller Sommer.
Es gibt viele Klischees über Finnland. Vieles stimmt nicht, das was
sich aber bestätigt fällt dann vielleicht stärker ins Gewicht. Da ist zum Beispiel
das Schweigen und stille Schauen. Die Leute schauen hier anders in Helsinki.
Auch auf ihre Art direkt, nur dass sich der Mund nicht unbedingt in irgendeine
Richtung bewegt.
Die erste Zeit wohnte ich zur Untermiete bei einer 91 Jahre alten Dame,
die dieser Beobachtung komplett widersprach. Sie war sehr gesprächig und
charmant, die wohl kosmopolitischste 91jährige, die ich je kennengelernt habe.
Sie empfing mich herzlich und brachte mir in ihrer Küche finnischen Slang bei. Ich
versuchte ihr zu erklären, was ich beruflich mache. Trotz Wörterbuch kam ich
nicht weiter. Wie erkläre ich einer alten Dame Public Relations und Social
Media mit meinen noch wenig vorhanden Finnischkenntnissen? Wir beließen es
dabei, dass ich was mit Text mache und Unternehmen bei der Kommunikation helfe.
Finnischer Pragmatismus
Meinen ersten Kontakt mit Finnland hatte ich vor knapp vier Jahren als
ich begann, für einen Kunden aus Kuhmo die Pressearbeit in Deutschland zu
organisieren. Am Anfang war es da, das finnische Schweigen. In ersten Meetings
haben wir nicht viel drumherum geredet oder gar Smalltalk betrieben. Trotzdem
war sofort Vertrauen da und ich bekam großen Freiraum für meine Arbeit. Mit der
Zeit hat sich daraus ein sehr gutes Verhältnis entwickelt. Es wird Wort
gehalten und das ohne große Allüren. Auch fällt mir auf, dass viele finnische
Unternehmen so selbstverständlich modern und gleichzeitig traditionell sind. Junge
Designfirmen interpretieren zum Beispiel in ihren Entwürfen das finnische
Nationalepos Kalevala. Vieles ist
hier einfach normal über das in Deutschland lang und breit diskutiert wird, ob
freies WLAN oder Wickeltische an jeder möglichen Stelle.
Wenn ich keine Pressemitteilungen schreibe oder Presseevents
organisiere, entwickle ich Text-Konzepte für Firmen-Websites und schreibe die
Inhalte. Seit fast vier Jahren freiberuflich. Studiert habe ich
Medienmanagement in Hannover und danach mehrere Jahre in der PR- und Marketingabteilung
einer amerikanischen Bank gearbeitet. Nebenher schreibe ich noch für die
Modewebsite www.modeaffaire.de, die sich mit Firmen
befasst, die ökologisch bewusste Kleidung produzieren. Das finde ich spannend
an dem Thema: Mode und komplexe Umweltthemen schließen sich nicht aus.
In meiner Freizeit bewege ich mich gerne mit kleinen selbstgezeichneten
Straßenkarten (nein, ich habe kein Smartphone) durch Helsinki und entdecke die
Stadt, manchmal verlaufe ich mich trotzdem. Umso besser, dann spreche ich Helsinkier
an und komme ins Gespräch. Und so schweigsam sind sie dann doch nicht.
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